Frühlingsgefühle: Von Krise keine Spur?

Relativ unspektakulär verging das erste Nach-Krisenjahr in der Region Hallertau. Nach den Gründen dafür fragten Claudia Erdenreich und Lorenz Trapp zwei Herren, die es wissen müssen: Wilfried Gerling (Vorstandsvorsitzender der Hallertauer Volksbank) und Norbert Lienhardt (Vorstandsvorsitzender der Sparkasse)

Herr Gerling, wie hat sich die Wirtschaftskrise auf die Region Hallertau ausgewirkt?

Die Wirtschaftskrise hat die Region bisher relativ milde getroffen, aber auch hier das Gefühl für regionalen Zusammenhalt gestärkt. Das was wir erleben ist keine Wirtschaftskrise mehr, sondern kann eher als eine Art Zeitenwende bezeichnet werden. Plötzlich rücken andere Dinge in den Mittelpunkt. Seit den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts ging es immer nur bergauf, besonders in den Jahren 1990 bis 2008 gab es nochmals ein enormes Wirtschaftswachstum, die Grenzen des Wachstums wurden verdrängt und ignoriert. Innerhalb weniger Jahrzehnte hat sich die gesamte Welt verändert, der eiserne Vorhang fiel, der Kapitalismus als vermeintlich besseres System trat den weltweiten Siegeszug an. 
Die Generation unserer Eltern und Großeltern ist noch mit Mangel groß geworden, kannte simple, konservative Werte wie Fleiß und Sparsamkeit. Wir haben in den Jahren des Wachstums nicht mehr damit gerechnet, dass Banken und sogar Staaten bankrott gehen können. Der Glaube an Geld hat viele Werte verdrängt. Auch in der Region wurde bewusst, dass es in der globalisierten Welt keine Sicherheiten mehr gibt, dass hohe Renditen auch hohe Risiken bergen, über die nun alle erschrocken sind. Plötzlich denkt man wieder langfristig. Lange wurden globale Unsicherheitsfaktoren komplett ausgeblendet, etwa das Bevölkerungswachstum, die Frage der Ernährung für alle, die Energiefrage. Auch die Alterspyramide erfordert ein Umdenken und neue Konzepte. Der Glaube an unbegrenztes Wachstum wird nun der Realität angepasst.

Wie haben die Kunden reagiert, private wie gewerbliche? Gab es besondere Wünsche, Anfragen oder Reaktionen?

Die Krise führte zu vielen Investitionen in den Privathaushalten, man besann sich wieder auf die solide eigene Immobilie. Gerade private Kunden reagierten mit verstärktem Schuldenabbau. Es wurde wieder bewusst, dass Schulden auch Risiken bergen, dass Schuldenabbau mühsam ist. Regionalität wurde in der Krise wieder Thema. Seit rund 100 Jahren gilt Konsum als Wachstumsgarant, Triebfeder war stets die USA, aus der nun die große Wirtschaftskrise kam. Es erfolgte eine Rückbesinnung auf die Nationalität.

Gerade in Zeiten, wo der Zusammenhalt der Generationen sich umdreht, wo Rentner ihre Kinder subventionieren und nicht mehr umgekehrt, setzt neues Bewusstsein ein. Den Kunden wird wieder klar, dass sparen anstrengend ist, sich aber lohnt. Die Krise ist dabei noch lange nicht verdaut, aber die Relationen sind wieder anders geworden. Kunden hinterfragen nun mehr, bestehen darauf, auch zu verstehen, was mit ihrem Geld gemacht wird. Solide, konservative Anlagen sind wieder gefragt, man erwartet keine hohen Gewinne derzeit. Das von der Hallertauer Volksbank aufgelegte Sparbuch „Top Zins“ mit sechsmonatiger Kündigungsfrist hat sich gerade bei jungen Leuten zur gefragten Anlage entwickelt.

Welche Maßnahmen hat Ihre Bank ergriffen?

Das Schockerlebnis war nötig, denn es wird nichts mehr so sein wie noch gestern. Die Hallertauer Volksbank ist bei ihrem soliden, regionalen Kurs geblieben und kann auf das Vertrauen der Kunden aus der Region zählen.

Wir machen Geschäfte in erster Linie in der Hallertau. 84 % unserer Bilanzsumme besteht aus Kunden­einlagen, die wir in der Region lassen in Form von Krediten. Bald 30.000 Mitglieder zeigen, dass eine regionale Bank, die die Kunden kennen, Vertrauen fördert. Allerdings werden wir auch lernen müssen, mit wachsenden Unsicherheiten zu leben, das Problem der Staatschulden ist keinesfalls ausgestanden. Der Bank ist es wichtig, trotz aller Unsicherheiten einen gewissen Optimismus auf die Kunden zu übertragen.

Was plant Ihre Bank, um in Zukunft auf weltweite Krisen zu reagieren?

Die Hallertauer Volksbank wird weiter auf regionalem Kurs bleiben und diesen noch stärken. In Zukunft werden wir noch intensiver fragen, was die Kunden bewegt, was sie wollen, was sie für Ziele im Auge haben. Hier muss auch noch um einiges klarer werden, dass Leistungen ihren Preis haben, dass es Dinge wie kostenloses Konto nicht geben kann. Wir agieren ganz klar regional, halten kleine, persönliche Versammlungen ab, vermitteln Wissen jenseits von reinen Bankgeschäften.

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Herr Wildfried Gerling

Herr Lienhardt, wie hat sich die Wirtschaftskrise auf die Region Hallertau ausgewirkt?

Insgesamt ist es für die Hallertau bisher glimpflich verlaufen. Die Auswirkungen waren zudem sehr unterschiedlich: wir hatten Gespräche mit Unternehmern, die in 2009 eines ihrer besten Geschäftsjahre hatten. Wir haben aber auch Firmen, die mit einem Auftragsminus von 50 Prozent zu kämpfen hatten, aber es bisher in bewundernswerter Weise schafften, das Unternehmen an die geänderten Rahmenbedingungen anzupassen.

Da wir zu drei von vier Unternehmen eine Geschäftsbeziehung haben, können wir auf eine relativ breite Basis zurückgreifen. Ein großer Teil der Unternehmen ist gar nicht von der Krise berührt oder hat sogar davon profitiert. Leider musste aber auch ein großer Teil der Unternehmen Umsatz- und Gewinn­einbrüche hinnehmen; allerdings können diese Unternehmen die Herausforderungen aus eigenen Kräften schultern. Ein wirklich geringer Teil wurde von der Krise schwer getroffen und diesen Firmen gilt es, mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.

Wie haben die Kunden reagiert, private wie gewerbliche? Gab es besondere Wünsche, Anfragen oder Reaktionen?

Insgesamt haben die Kunden unaufgeregt, ja sogar gelassen, reagiert. Im Vordergrund standen vor allem Fragen zur langfristigen Zinssicherung. Gerade auch Umschuldungen von kurzfristigen Betriebsmitteln in längerfristige Darlehen war ein wichtiges Thema. Vereinzelt wurde auch seitens unserer Kunden nach den Auswirkungen der in den Medien so häufig genannten Kreditklemme gefragt. Die Nachfrage nach Krediten hat sich aber sowohl bei den Privatkunden als auch bei unseren Firmenkunden gut erholt. Dies zeigt das Vertrauen unserer Bürger in die Zukunft und in die Wirtschaftskraft unserer Region.

Welche Maßnahmen hat Ihre Bank ergriffen?

In erster Linie haben wir versucht, Ruhe zu bewahren und den Sachverstand walten zu lassen. In den allgemein vorherrschenden Chor der Panik einzustimmen, wäre nicht nur falsch, sondern auch nicht angebracht gewesen.
Ganz wesentlich war auch die Entscheidung, die Kreditpolitik nicht unnötig zu verschärfen. Hier zeigen sich die vielen Vorteile unserer Sparkasse: Wir kennen nicht nur unsere Kunden, sondern wir können auch einschätzen, welche Handlungsmöglichkeiten unsere Kunden in Stresssituationen haben könnten.

Und was mich besonders freut ist, dass wir in den Jahren der Finanzmarktkrise unsere Kreditzusagen sogar ausweiten konnten. Ganz wichtig war und ist es uns nach wie vor, sehr intensiv die brisanten Themen mit unseren Kunden und Mitarbeitern zu kommunizieren und zu diskutieren. Egal, ob es um die Finanzmarktkrise oder um die sagenumwobene Kreditklemme geht. Wir müssen verstärkt Botschafter der Realität sein und uns nicht in die Reihe der Schwarzseher und Katastrophenprediger einreihen. Gerade das Jahr 2009 war für unsere Sparkasse ein wichtiges Jahr: Einmal können wir auf 150 erfolgreiche Geschäftsjahre zurückblicken und andererseits sehen wir uns mit einer tiefen Krise der Finanzmärkte konfrontiert. Aber die 150 Jahre haben uns Kraft und Erfahrung gegeben, so dass die Zuversicht bei weitem die Befürchtungen überwiegt.

Allgemein stabilisierend wirkte sicherlich auch die Tatsache, dass die Wirtschaftskraft der Hallertau außerordentlich solide ist. Die Unternehmen sind insgesamt in ganz unterschiedlichen Branchen tätig, was die Anfälligkeit der Region für Krisen einzelner Branchen deutlich abmildert. Wichtig ist sicherlich auch, dass viele mittelständische Firmen ihre Kreditverbindung zu regionalen Banken, wie Sparkasse oder Genossenschaftsbanken haben.

Was plant Ihre Bank, um in Zukunft auf weltweite Krisen zu reagieren?

In erster Linie werden wir uns weiterhin auf unser Geschäftsgebiet konzentrieren, unsere Kunden noch besser kennenlernen und der soliden Kreditpolitik treu bleiben. Wir halten fest an unseren beiden Grundsätzen: erstens aus der Region, für die Region und zweitens mache nur Geschäfte, die du verstehst und nur mit Kunden, die du kennst.

Als Verantwortliche der Sparkasse werden wir mit größter Sorgfalt und Umsicht versuchen, unsere Eigenkapitalbasis weiter zu stärken. Denn je besser das Eigenkapital einer Bank, umso stabiler ist man in Zeiten einer wie auch immer gearteten Krise. Und vor allem schafft es Vertrauen bei unseren Kunden, wenn es auch in allgemein nicht rosigen Zeiten konstruktive Finanzierungsgespräche gibt.

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