„Des schmeckt ma ned“

Stefan Reischl nach erfolgreichem kabarettistischen Debüt im Interview mit Hellmuth Inderwies

Kabarett ist in der Hallertau seit langer Zeit schlechthin der Besuchermagnet unter den darstellenden Künsten. Ob da Gerhard Polt, Bruno Jonas, Sigi Zimmerschied, Herbert und Schnipsi, Wolfgang Krebs, Christian Springer oder Monika Gruber u. a. als Gäste ihre Aufwartung machten, die Säle waren stets überfüllt mit einem begeisterten Publikum.

Nun hat sich aus den eigenen Reihen einer auf den Weg gemacht, um sich in diesem Genre Sporen zu verdienen. Der Pfaffenhofener Stefan Reischl bestand im Soundkeller beim Stegerbräu, in dem gleichermaßen kein Platz leer blieb, mit seinem Programm „Des schmeckt ma ned“ eine durchaus erfolgreiche Feuertaufe. Seine vielfach aus der Problematik des gesellschaftlichen und politischen Alltags aufgegriffenen Sachverhalte und sein artistisches Spiel mit der Sprache erinnerten den Interviewer an eine Vorstellung des klassischen Ehepaars des Kabaretts „Herbert und Schnipsi“ (Hans Meilhammer und Claudia Schlenger), mit denen er nach ihrem erstmaligen fulminanten Auftritt in der Niederscheyerer Dreifachturnhalle im März 2008 ein recht aufschlussreiches Gespräch über ihre vergleichbare Thematik „Weil wir uns net geniern!“ führen konnte. Ähnliche Fragen galten dem Pfaffenhofener Debütanten:

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Inderwies: Das Kabarett hat zumindest in Deutschland in seiner Geschichte außerordentliche Höhen und Tiefen durchstehen müssen. Gegenwärtig scheint es wieder einmal einen Boom zu erleben. Wo mögen die Gründe hierfür zu suchen sein?
Reischl: Zunächst denke ich, dass Genres der Kunst wie Vieles im Leben einem „Auf“ und „Ab“ oder einem „In“ und „Out“ unterliegen. Wenn das Kabarett heute in der Öffentlichkeit verstärkt wahrgenommen wird, so mag das den neuen Medien, wie dem Internet und diversen Multimedia-Plattformen zu verdanken sein, mit denen ein jeder relativ leicht ein breites Publikum erreicht und sich so einer breiten Masse präsentieren kann. Ich würde da nicht unbedingt von einem Boom sprechen. Zum andern mag diese Entwicklung vor allem auch mit einer Übersättigung im gegenwärtig oft recht seichten Unterhaltungsbereich zusammenhängen. Die Menschen sind kritischer und anspruchvoller geworden.

Inderwies: Premiere und zweimalige Wiederholung deines Programms „Des schmeckt ma ned!“, das du als Debütant zum Auftakt einer hoffentlich anhaltenden kabarettistischen Präsentation dargeboten hast, sind auf ein breites öffentliches Interesse gestoßen. Wie hast du diese ersten Auftritte auf der Bühne persönlich empfunden?
Reischl: Seltsamerweise war ich bei der Premiere außerordentlich ruhig und gelassen, obwohl der Soundkeller bis auf den letzten Platz gefüllt war. Aber ich habe sehr schnell gemerkt, dass das Publikum fasziniert war und mitgegangen ist. Bei den beiden Wiederholungen sind mir ein paar Fehler unterlaufen, weil ich wohl zu schnell zu hohe Ansprüche an mich gestellt habe, obwohl es mir ja noch an Bühnenerfahrung fehlt. Dazu gehört vor allem die Vertrautheit damit, dass nicht jedes Publikum auf die gleiche Art und Weise reagiert. Aber auch da hat es mir einfach Spaß gemacht, Menschen zum Lachen und zum Nachdenken zu bringen. Von Vorteil war es, den Soundkeller im Stegerbräu mit seiner recht intimen Atmosphäre für das Debüt gewählt zu haben. Da springt der Funke hin zum Publikum viel schneller über. Man sollte allenthalben in altbayerischen Gaststätten ein volksnahes künstlerisches Programm anbieten, um die alte Wirtschafts- bzw. Wirtshauskultur, die ja vom Aussterben bedroht ist, zu erhalten.

Inderwies: Was bewegt einen, dessen Beruf in einem ganz anderen Bereich angesiedelt ist, nun plötzlich auch einen künstlerischen Weg einzuschlagen und sich auf den Brettern, die die Welt bedeuten, zu verwirklichen?
Reischl: Was bewegt einen erfolgreichen Versicherungsvertreter, seinen Beruf aufzugeben und sich der Bildhauerei zu widmen? Es geht tatsächlich um Selbstverwirklichung. Und diese finde ich als ein Mensch, der den Dingen des Lebens aufgeschlossen gegenübertritt und sich mit ihnen auseinandersetzt, in erster Linie im kreativen Umgang mit der Sprache. Dass dies für mich ein inneres Anliegen ist, weiß ich lange, dass ich aber auch ein gewisses Talent hierfür besitze, das habe ich erst sehr spät gemerkt, obwohl mich das Kabarett mit seinen vielschichtigen Ausdrucksformen der Sprache schon immer fasziniert hat. Ich gehöre eben zu denen, die gewissermaßen für einen Sprung ins kalte Wasser ein bestimmtes Alter erreicht haben müssen. Auch die Lebensumstände spielen dabei eine Rolle. Das Feedback aus meinem persönlichen Umfeld auf meine ersten Auftritte verleiht mir augenblicklich einen gewaltigen Motivationsschub: „Das hätte ich dir nie zugetraut! Endlich machst du das, was du schon immer hättest tun sollen!“

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Inderwies: Gibt es Vorbilder, die dich dazu motiviert haben, diesen Weg einzuschlagen?
Reischl: Ich bin mit „Scheibenwischer“, Polt und Co. aufgewachsen. Reicht das als Antwort?

Inderwies: Gewiss reicht das! Dieter Hildebrandt gehörte zu den ganz Großen des deutschen Kabaretts. Er war ja auch Mitbegründer der „Münchner Lach- und Schießgesellschaft“. Zurück zu deinem Premierenprogramm, das 90 Minuten dauert! Das ist für den Soloauftritt eines Debütanten ein ansehnliches Pensum. Auf welchem Weg ist es entstanden?
Reischl: Von Anfang an war ich mir darüber im Klaren, dass es ein abendfüllendes Soloprogramm sein müsse und da kann man das Publikum nicht nach fünfzehn Minuten wieder nach Hause schicken, weil ein Einzelner auf der Bühne nur Langeweile verbreitet. Wenn man ganz alleine für eine solche Veranstaltung die Verantwortung trägt, dann bedeutet dies für einen Anfänger im Vorfeld eine ungeheuere Belastung, bis er interessante Inhalte gefunden und sie in eine bildhafte und überraschende Sprachform gebracht hat: Das heißt unermüdlich „Sichten – sichten – sichten! Denken – denken – denken! Umsetzen – umsetzen – umsetzen! Üben – üben – üben! Wiederholen – wiederholen – wiederholen!“ Eine regelrechte Ochsentour! Aber ich habe mir dabei Zeit gelassen, um möglichst stabil im Text zu stehen.

Inderwies: Lagen hierbei Gewichtung und Intention mehr auf der Unterhaltung im Sinne einer Comedy oder sollte der gesellschaftskritische Charakter in erster Linie in Erscheinung treten? Wo ist dein Programm anzusiedeln?
Reischl: Ich mag schon den Begriff „Comedy“ nicht sonderlich gern. Er klingt für mich so ein bisschen nach Kaugummi. Wenn man diesen kaut, verliert er nach kurzer Zeit seinen Geschmack und wird zur zähen geschmacklosen Masse, die man gelangweilt ausspuckt. Ich habe schon angedeutet, dass Unterhaltung in den Medien heutzutage oft zu oberflächlich und eben viel zu seicht über die Bühne geht, vielfach nur als kurzlebiger Gaumenschmaus. Mir schwebt da eher so eine Art „Umweltverträgliches Kabarett mit nachhaltigen Texten aus ökologischem Satzbau“ vor.

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Inderwies: Die Sprache besitzt demnach den höchsten Stellenwert?
Reischl: Dass sich Sprache als ein Organismus verändert, gehört zu ihrer Geschichte. Sie ist aber für mich der wichtigste Ausdruck kultureller Identität, die es zu schützen und zu pflegen gilt, und das vor allem in einer Zeit zunehmender sprachlicher Rationalisierung und „Ver-abkürzung“: Allerweltsanglizismen ohne Aussagekraft, Kürzel, symbolhafte Zeichen und eine oft katastrophale grammatisch-stilistische Form, die nicht selten Sprachverwirrung stiftet, sind vielfach Mode geworden. Ich bin da etwas altmodisch, wenn es um den Verlust der Muttersprache geht, zumal in meinem kabarettistischen Programm manches Wortspiel eingebaut ist, das eben nur in meiner Muttersprache – und dazu gehört mein bayerischer Dialekt – ausgedrückt und verstanden werden kann. Kabarett muss auch Sprachkultur und damit Spracherziehung sein.

Inderwies: Welche Wirkung soll beim Publikum erzielt werden? Kann Kunst überhaupt einen Beitrag leisten, um die Gesellschaft hin zu einer höheren Lebensqualität zu führen?
Reischl: Wenn der Mensch nur schwerlich aus seiner Geschichte etwas zu lernen imstande ist, bin ich mir nicht sicher, ob Kunst die Welt hin zum Besseren verändern kann. Das heißt aber nicht, dass man sich deswegen nicht ständig darum bemühen muss. Einen Anstoß über sich nachzudenken und sich selbst zu erkennen, vermittelt die Kunst allemal.